Spitze aus Papier und die Queen in Pluderhose

Kunstverein Mittelrhein stellt seine  neuen Mitglieder vor

Dienstag, 24. Mai 2022, Rhein-Zeitung Koblenz & Region, Seite 18

Von Lieselotte Sauer-Kaulbach

 

Eines der Hühnerknochenobjekte von Stefan Philipp, im Hintergrund der Plüschhocker auf Hühnerbeinchen.

Kunstverein Mittelrhein stellt seine  neuen Mitglieder vor

Koblenz.

Mobiles aus Hühnerknochen, ein pinkfarbener Plüschhocker auf zerbrechlichen Hühnerbeinchen – was übrig bleibt, wenn Hähnchen verspeist und abgenagt werden, ist das Material, aus dem der 1958 in Saarburg geborene, seit 2019 in Linz lebende Stefan Philipps seine befremdlichen, skurrilen, kritischen Assemblagen und Objekte schafft. Philipps, der erst Geografie und Politikwissenschaft und später Kunst in Mainz studierte, ist eines der  neuen Mitglieder, die der Kunstverein Mittelrhein KM 570 im Künstlerhaus Metternich vorstellt.

Wie Philipps arbeitet Birgit Weindl, Jahrgang 1960 und Kunstbeauftragte der Evangelischen Kirche in der Pfalz, fotografierend mit dem Reiz von Vergänglichem, verwelkten Tulpenblättern, mit Schönheit die, wie Weindl meint, „im Vergehenden bleibt und sich in intensivierter Art und Weise neu entfaltet“ und fast malerisch wird. Fragil ist diese Schönheit nichtsdestotrotz, von einer Zerbrechlichkeit, die auch den Acrylbildern der am Niederrhein geborenen Kunstpädagogin Birgit von Löbbecke eignet, abstrakten, aus transparenten Farbschichten gewachsenen Kompositionen im Wechselspiel von Zeichnerischem und Malerischem, von Linie und Fläche, mit Anmutungen an Natürliches, Landschaftliches.

Auch in den Skulpturen und Zeichnungen der in der Eifel und in Köln lebenden Christa Feuerberg, 1980 Meisterschülerin von Rolf Sackenheim in Düsseldorf, mischt sich Nicht-Gegenständliches mit Natürlichem, etwa in ihren „Kopffüßlern“ aus Walzblei, die auch Flügel sein könnten, schweres Material im Schwebezustand. Gerade derlei Widersprüchlichkeiten treiben Feuerberg ebenfalls in ihren Zeichnungen an, bieten ihr alle Freiheit und Offenheit.

Dann und wann klingt bei Feuerberg auch Musikalisches an, das noch stärker in den Zeichnungen und Objekten der 1962 in Baden-Württemberg geborenen Beate Maria Wörz, die in Berlin und Saarbrücken Bildhauerei studierte, zu spüren ist. Ihre der écriture automatique nahestehenden Zeichnungen seien, erklärt sie, tatsächlich auch zu Musik entstanden und wieder in Musik umgesetzt worden, Linien voller immanenter Rhythmik, die erst recht ihren Objekten eignet, kreiert aus teils eingefärbten, auf Holzplatten geklebten Papierstreifen, wie sie früher fürs Binden von Blumensträußen genutzt wurden, Upcycling auf konkrete Art. „Raum erfahren. Strukturen beleuchten“ nennt die in München, wo sie auch Kommunikationsdesign studierte, lebende Verena Friedrich, als wesentliche Themen ihrer Objekte und Installationen. Deren bevorzugtes Material ist Papier, Japanpapier, aus dem die Künstlerin im Raum arrangierte, spitzenähnliche Gebilde schneidet, oder Trinkhalme aus weißem und schwarzem Papier, das sie kunstvoll zu organisch anmutenden Objekten formt. Die Liebe zur schwelgerisch verwendeten Farbe, ob Acryl oder Öl, verbindet die beiden in Koblenz lebenden Maler unter den Neuen, Georg Brunner, studierter Kommunikations- und Politikwissenschaftler, und Luke Baron, mit 32 der jüngste Neuzugang. Brunner setzt sich in einer Serie von Arbeiten mit Koblenz auseinander, bringt skizzenhaft Architektur und Figur, Vergangenheit und Gegenwart zusammen. Luke Baron erklärt, er versuche, in seinen Werken die „totale visuelle Überfrachtung von heute zu kanalisieren“, tut dies, pop-artig, indem er kritisch, karikierend mit Elementen eben dieser Überfrachtung arbeitet. So wie in seinem „sofuckinprime“ betitelten Bild, es zeigt die Queen in lila Pluderhose und weißem T-Shirt mit eben diesem Schriftzug auf blauem Plüschsessel, umgeben von Zeittypischem aus allen Jahrzehnten ihrer Regentschaft, vom Hasenohrkissen auf Camouflage-Couch bis zu den Nietensandalen und zum Koons-ähnlichen Pudelchen.

Die Ausstellung im Künstlerhaus Metternich, Koblenz am Münzplatz ist bis zum 19. Juni zu sehen – donnerstags bis sonntags von 16 bis 19 Uhr.

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