Künstlerin benutzt die Aussagekraft der Haut
Installationsarbeiten von Cornelia Rößler sind in Villa Belgrano in Boppard anzuschauen - Objekte, Fotografien und Videos
RZ-Archiv (RH-Ausgabe vom 05.06.2007)
BOPPARD. "Hautkonzept" heißt die aktuelle Ausstellung der Künstlerin Cornelia Rößler, die der Kunstverein Mittelrhein "KM 570" zurzeit in Boppard präsentiert. Im Zentrum der Installationen, Fotografien und Videoarbeiten der Künstlerin aus Guntersblum bei Mainz steht der menschliche Körper.
Während die Fotografien im Eingangsbereich - quasi als Einführung - den Menschen als Ganzes zeigen, spüren die Installationen in den kleineren Räumen einzelnen Körperdetails nach. Wissenschaftliche Zeichnungen von Synapsen hat Rößler digital bearbeitet und in kleinen Leuchtkästen ausgestellt. Nicht nur das menschliche Nervengewebe fasziniert die Künstlerin, die gesamte Hirnforschung hat es ihr angetan: "Ich lese Bücher über Hirnforschung natürlich als Laie, aber das ist es, was mich interessiert", so die junge Künstlerin. Ebenso wie die Frage, was einen Menschen ausmacht, wie hoch ist der Anteil der genetischen Bestimmung und wie viel zählen die Erfahrungen, die ein Mensch im Leben macht. Die Leuchtkästen zeigen, wie sich Synapsen bei einem Kind zwischen 0 und 24 Monaten entwickeln, wie sich Form und Masse verändern. Andreas Greulich, der die Einführungsrede zur Vernissage hielt, zeigte auf, wie gelungen Rößler Wissenschaft und Poesie in ihren Arbeiten verbindet: "Das Netz der Synapsen entwickelt sich immer weiter, abhängig von inneren und äußeren Einflüssen - individuelles Leben eines Einzelnen, Leben und Bewegung, spiegelt sich in diesem Geflecht von Nervenzellen," erläuterte der Kunsthistoriker aus Frankfurt. Und somit seien sie "Portraits von Individuen", doch die Bildsprache sei - anders als bei klassischen Portraits - schwierig zu entziffern.
Haut ist Hauptthema der Künstlerin. Sie findet sich in den meisten der in der Villa Belgrano gezeigten Arbeiten wieder. Denn Haut dient nicht nur als Hülle und Schutz, sondern gibt ebenso den Einfluss der Umwelt auf den Menschen wieder. Mit dem Alter wird sie dünner, mitunter rissig und steht somit für Vergänglichkeit. Diesen Aspekt greift die Rößler in der Installation "Tischzeit" auf. Die Arbeitsfläche eines abgenutzten Küchentisches zeigt statt der üblichen Schrammen im Holz wiederum eine extreme Nahaufnahme von Haut: diesmal übersät mit Altersflecken.
Zeitlichkeit und Individualität thematisieren auch die Fotoserien "Identity" und "Haut". Die Nahaufnahmen, aufgezogen auf große Aluminiumplatten, sind ähnlich wie die Synapsenbilder eine Art Portrait. Denn Haut ist individuell und einzigartig. Rößler zeigt alte, schrumplige, elastische, picklige, raue oder glatte Haut - und zwar so nah, dass sich beim Betrachter unwillkürlich ein unbehagliches Gefühl einstellt. "Sie nähert sich wissenschaftlich und mit Forscherdrang dem Thema Haut", fasst KM 570-Vorsitzender Uli Hoffelder treffend zusammen.
Katja Nolles-Lorscheider