GEGEN-LICHT

Gäste: Ingo Bracke als Mitinitiator der Ausstellung "lichtzeichen.raumklänge", Angelina Konrad (Bad Hennef) und Angela Tonner (Mainz).
Mitglieder -KM570- : Marion Anton, Ute Krautkremer, Nicole Peters, Helga Persel, Detlev Norgel,

Vernissage am Fr. 14.Juli 2006
von 20.00 bis 22.00 Uhr
Dauer der Ausstellung: 14. Juli bis 23. Juli 2006
Öffnungszeiten: Sa/So von 11-18 Uhr

 

Rede zur Eröffnung der Ausstellung „GEGEN-LICHT“ im Kunstverein Mittelrhein am 14.Juli 2006

GEGEN-LICHT

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte auch heute wieder technisch beginnen und Ihnen zum Thema Licht  oder auch Gegenlicht einige meiner Gedanken zur Ausstellung vorstellen.

Licht ist wesentlich an der Entstehung von Fotografien beteiligt, von daher ist im Grund jede Fotografie ob dem Fotografen bewusst oder unbewusst, schon ein Beitrag zum Thema.
Das von den Objekten reflektierte Licht wird vom Film aufgenommen und regt beim Entwicklungsprozess im „Schatten“ der Dunkelkammer die Entwicklung von Silberkristallen an. Das so entstandene negative Zelluloidbild wird dann - wieder mithilfe von Licht- auf  Papier vergrößert und in ein Positiv verwandelt.
Je nach der Länge der Belichtung und der Schärfefokussierung löst sich die Materialität der fotografierten Oberflächen scheinbar auf.
Reflektiertes Licht muss, um die Gegenstände klar erkennbar abzubilden, nach dem Prinzip der Camera obscura durch eine kleine Öffnung auf eine Fläche projiziert werden. Die Schärfe der Projektion ist von der Größe der Öffnung und der Distanz zur Filmfläche abhängig, kann aber zudem mit Hilfe von Linsen unterschiedlich fokussiert werden.
Gegenlicht ist eine vor allem in der Fotografie verwendete Bezeichnung für eine Lichtquelle, die direkt in Motivrichtung liegt.
Gegenlicht, das in das Objektiv eines Fotoapparates fällt, hat eine ganze Reihe von Auswirkungen auf das entstehende Bild:
Reflexion, Überbelichtung des Hintergrundes, Veränderung des Farbkontrastes, Schleierbildung sind nur einige bekannte Phänomene
Zum Fotografieren brauchen wir Licht - das ist uns allen geläufig. Aber es auch wichtig, die Lichtquelle zu erkennen und die Strahlungsrichtung des Lichts zu berücksichtigen.

Wir wollen aber nicht allein aus der Sicht des Fotografierenden sondern auch im Gegenlicht und gegen das Licht die Arbeiten betrachten, ja sogar beleuchten. Bewusst haben deshalb die Künstler mit diesen technischen Möglichkeiten auch gespielt , oder müssen wir sagen experimentiert.

zu den ausstellenden Künstlern:

Ute Krautkremer aus Spay

Beginnen wir in dem großen Saal hier, in dem Ute K. ihre neuen Drahtbilder präsentiert.
Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung, das Vermischen von Abstraktion und Wirklichkeit ist Schwerpunkt im Werk der Bildhauerin Ute Krautkremer. Ihre Bild-Objekte mit ihren geheimnisvollen, sich ständig ändernden Wirklichkeiten bieten dem Auge des Betrachter erweiterte Wahrnehmungsmöglichkeiten .
Sie selbst sagt: „Die Verflechtung von Innen und Außen ist ein zentrales Thema meiner plastischen Arbeit, das in den Zeichnungen seine Entsprechung findet. Die gezeichneten Formen verzahnen sich in der Fläche miteinander. 

Die zeichnerischen Arbeiten der Künstlerin verbinden spontane Gestik der Mal- und Zeichenbewegung mit vorgegebenen Formen und es entstehen großzügige Mischtechniken wie Bleistift und Acryl auf Holz mit Draht oder Papier. In Auseinandersetzung mit menschlicher Bildsprache durchbrechen malerischer Gestus und chiffrierte Zeichen die strukturierten Malgründe und legen neue Zeichen-Spuren für die Wahrnehmung des Betrachters.
„Der spielerische Umgang mit dem Material und seinen Spuren ebnet den Weg ins Chaos.
...“Es reizt mich besonders, den Zufall zu zwingen, also ein Spannungsgefüge zwischen (chaotischen) Strukturen und bewusster Ordnung aufzubauen. Bezeichnend für meine Arbeitsweise ist der für mich notwendige Wechsel zwischen spielerischer Auseinandersetzung mit dem zufällig Gegebenen und absichtsvoller Arbeit an einem bestimmten, nur so gearteten Formgefüge.“..Ende Zitat U.K.
Die Drahtzeichnungen hier im Raum zeigen lineare Entsprechungen zu dieser Thematik. Draht und Schatten führen gezeichnete und gedachte Linien weiter und geben der Zeichnung Raum. Gleichzeitig führen sie ein Eigenleben, das die Oberfläche der Zeichnung beherrscht. Mehr als bei den Flächenzeichnungen auf glattem Untergrund sind hier Strukturierungen - bewusst gesetzte und zufällige Spuren- wichtig.“....

Nicole Peters aus Frücht

In der Malerei von Nicole Peters geht es um die inneren Kräfte, die der äußeren Erscheinung der Form zu Grunde liegen. Es geht um innere Kräftegefüge, um Gefühle, um innere Stimmungen. Dabei geht es nicht um die persönliche Stimmung der Künstlerin an dem Tag der Werkentstehung. Es geht mehr allgemeiner um das Gefühl von Liebe, Wut, Trauer, Freude, etc. Der professionelle Austausch mit anderen Menschen über Gefühle spielt für Nicole Peters Malerei eine wichtige Rolle.
Ästhetisch thematisiert Peters in ihrer Malerei immer den Kontrast von leuchtenden Farben zu stumpfen, schrundigen, schroffen Bildteilen. Der neue Werkzyklus „Innenraum“ ist von der Farbigkeit und von dem Materialeinsatz reduzierter als die Arbeiten in den Jahren davor. Zudem sind die neuen Arbeiten mehr aus der Fläche heraus entstanden als frühere Arbeiten. Sie scheinen somit erst mal ruhiger zu sein – dabei jedoch nicht weniger dramatisch.

Marion Anton aus Boppard

Die drei Bilder von Marion Anton im großen Raum, stellen Hand- und Körperhaltungen aus der Bewegungsfolge „Form 1“ des chinesischen Tai Chi dar.
In dieser Kampfkunst existieren Kraft, Geschmeidigkeit und Leichtigkeit nebeneinander. Das Spiel mit der Lebensenergie „Chi“,das sich in den Körperübungen zeigt, lässt sich kaum erklären, eigentlich nur erfühlen und ist für den Betrachter als tanzartige Pantomime zu beobachten.
Die Präsens, Schwere und Flüchtigkeit des Chi sind in der Materiallosigkeit des Schattens eher an der Grenze des Sichtbaren als im direkten Abbild.


Angelina Konrad aus Bad Hennef bei Bonn

Angelina Konrad lebt und arbeitet seit 2002 in der Nähe von Bonn. Dort entdeckte sie 2003 eher zufällig einige Weinfilterschichten. Ihre Aufgabe ist es, bei der Weinherstellung Trübstoffe aus dem Wein filtern und ihn zum Glänzen bringen. Was das Glänzen betrifft, bekommen sie im Atelier von Angelina Konrad eine zweite Chance. Sie sagt selbst dazu: "In meiner Malerei werden Nebensächlichkeiten zum Glänzen gebracht - auf der glatten Seite, der so genannten Glanzseite der Filterschichten, dem Material, das nicht nur den Wein haltbar macht, sondern auch Erinnerungen." 

"Erinnerungen haltbar machen" beschreibt bereits das Besondere an den Bildern von Angelina Konrad. Es gelingt ihr, Entdeckungen im Leben auf eine Art umzusetzen, die Dinge oder Menschen wieder erkennbar macht, aber nicht bloßstellt, die neue Sichtweisen zulässt, bei denen das ursprüngliche Thema auch zur Seite treten kann, um den Weg zum Erinnern nicht zu verstellen
Sie ist wohl die erste und einzige Künstlerin, die sich so intensiv mit diesem Material auseinandersetzt . Weinfilterschichten haben zwei Seiten, eine Trüb- und eine Glanzseite.  Mittlerweile sind einige hundert Zeichnungen, Radierungen oder Linoldrucke auf Filterschichten entstanden, wobei die Formate von 20cm x 20cm bis zu 2m x 1m reichen. Ursprünglich von der Malerei kommend, tauchen in dem Werk der Künstlerin seit Ende der 90er Jahre zunehmend Zeichnungen auf. Anfangs als Collage auf Leinwände geklebt, haben sie mehr und mehr eigenständigen Charakter angenommen. Mit den Weinfilterschichten hat sie ein Material gefunden, das Zeichnung und Malerei in gleichwertigem Wechselspiel auf einem Bildträger ermöglicht.

Detlev Norgel, Koblenz

"Mit dem ersten Pinselstrich hinterlasse ich eine Spur", so beginnt der beschreibende Text von Detlev Norgel.
Wenn ich fortfahre, schreibt er, verdichten sich die Spuren, Neues wird sichtbar.
Strukturen entstehen, die von den Spuren erzählen, Fragmente freigeben.

Schicht um Schicht entsteht eine Oberfläche, die den Zwischenraum zum Sprechen bringt.
Auf dem Weg zur Gestaltung wird allzu Bildhaftes reduziert, eine gestische Distanz geschaffen.
Realistisch und symbolisch sind keine unvereinbaren Gegensätze, sondern nebeneinander existierende, gleichermaßen ans Licht gebundene Möglichkeiten der Informationsübermittlung.

Helga Persel aus Mainz

Fokussieren ist Thema der Arbeit Distanz.
Einmal wurde auf ein Objekt mit relativ geringer Raumtiefe (Plastikplane) so mit kleiner Blende fokussiert, dass sich die gesamte vom Objekt reflektierte Strahlung zu einer scharfen Abbildung bündelt. Das dazu kombinierte Foto thematisiert mit einer großen Blende verschiedene Schärfeebenen im Bild. Das räumlich nah am Apparat liegende Geländer, wird an den unscharfen Rändern nahezu aufgelöst, dahinter wird die scharf abgebildete Raumebene sichtbar. So entsteht ein Helligkeitsverlauf, der die Objekte des Hintergrundes in die Helligkeit des Geländers übergehen lässt.
Beim Bild Übergang ist diese Unschärfe so stark, dass sich die Objekte im Vordergrund nahezu vollständig auflösen. Die Gerüststangen bleiben lediglich als helle Schleier erkennbar. Der Winkel der Beleuchtung und der Aufnahmestandort bestimmen auf der rechten Bildhälfte die Gestaltung der Fläche. Braun und Schwarz bedeuten einmal „viel Licht absorbierende Flächen“ oder sie sind Objektschatten. Das sich ablösende Plakatpapier verweist auf den flächigen Charakter der Fotografie.
In der Arbeit Verbindung schafft der Objektschatten den Zusammenhang der Einzelfotos. Die dunklen Bildpartien wachsen zu einer Form zusammen. In der rechten Bildhälfte erzeugt der Schatten die Illusion von gewölbtem Volumen, auf der linken Seite gibt er Raumtiefe an. Da auf beiden Fotografien in den hellen Flächen runde Formen zitiert sind, ohne dass sie gegenständlich aufgelöst werden könnten, entsteht eine starke Irritation. Das Bild wird wechselnd als Fläche oder als Abbild räumlicher Zusammenhänge gelesen.
Farbliche und formale Ähnlichkeiten schaffen in der Komposition Korrespondenz die Verbindung zwischen den beiden Fotos. So verschränken sich hell beleuchtete (Also stark reflektierende) Flächen, wie die Holzlatten rechts mit einer ähnlichen Form im linken Bild. Sie kommt dadurch zustande, dass Schatten auf eine rostige Betonwand fällt. Die dunklen Partien der Betonfläche antworten farblich auf die Schatten der Holzlatten. Das helle Grün der Metallplatte links, die bildparallel fotografiert wurde, nimmt Verbindung auf zum senkrecht ins Bild gesetzten Geländerstreifen recht, der eine ganz minimierte Raumtiefe andeutet. Die leicht bewegte Farbigkeit des Wassers korrespondiert mit Partien der verschatteten Betonwand.

Ingo Bracke aus Saarbrücken

Licht ist sein bevorzugtes bildnerisches Medium, das er in Rauminstallationen oder auch Inszenierungen für Konzerte anwendet.
Sein besonderer Zugang ist es, die der Musik innewohnenden  Strukturen und Bögen bildnerisch in Licht und Raumbewegungen zu  übertragen. Seine große Sensibilität für die immateriellen Bereiche  von Klang und Licht, zusammen mit seiner technischen Versiertheit,  haben zu überzeugenden Umsetzungen in künstlerischen Projekten verschiedenster Art geführt.
Ingo Bracke  ist ein interdisziplinärer arbeitender Künstler, der durch seine große Sensibilität für die immateriellen Bereiche von Klang und Licht, immer wieder neu zu überzeugenden Umsetzungen in seine künstlerischen Projekten verschiedenster Art findet. So geschehen auch hier im Kunstverein bei der letzten Ausstellung.

Angela Tonner aus Mainz

Mit den Arbeiten von Angela Tonner möchte ich dann den Rundgang abschließen.
Frau Dr. Lida von Mengden  vom Hack-Museum in Ludwigshafen, sagte anlässlich einer Ausstellungseröffnung in ihrer Rede:
Zitat: „ Die Reduktion auf das Wesentliche spielt im Werk von Angela Tonner eine wichtige Rolle.Ihre Flächenkompositionen können ihren illusionistischen Zauber nur deshalb entfalten, weil die Farbfelder nicht allein als freie Kompositionen figurieren, sondern zugleich aufs Genaueste in ihren Winkeln und Schnittstellen, ihren Zusammenfügungen von scheinbar rechtwinkligen Formen berechnet sind, und so dem Auge des Betrachters ein Schnippchen schlagen: wo nichts als Fläche ist, täuscht die Künstlerin Räume und scheinbare Tiefen vor.
Tonners Bilder lassen den Betrachter an sich frei im Raum bewegende Körper denken, oder auch wieder an geöffnete Fenster und Türen, an Häuser oder Türme, einer kleinteilig aufgebauten Stadtlandschaft vergleichbar 
Ein zweiter Blick hingegen mag uns dieselbe Komposition als vielfältig gebrochenes Prisma zeigen, edelsteinartig leuchtend und changierend zwischen Fläche und Raum. Angela Tonner verwendet Japanpapiere, die sie in den gewünschten Farbtönen einfärbt und auf Leinwand oder Holz collagiert; in letzter Zeit sind Acrylfarben als Medium hinzugekommen. Die einzelnen Formelemente, oft sogar einzelne Bildplatten, werden Stück für Stück zum eigentlichen Bildkörper zusammengefügt.
Ich möchte Ihnen zum Abschluß meiner Rede noch einige Statements zu unserer Kunstvereinsarbeit mitgeben.


Meine sehr verehrten Damen und Herren,
In vielen Kunst- oder Kulturzeitschriften können Sie es täglich lesen, „ .....Zeitgenössische Kunst ist heute ein wesentlicher Teil unserer Gesellschaft. Die Menschen sind in ihren Rollen als Arbeitende, Arbeitslose und Konsumenten mehr oder weniger gefangen. Kunst bietet einen Freiraum, in dem man über die Zukunft nachdenken kann. Es geht nicht um Utopien, sondern um eine konkrete Zukunft, morgen, übermorgen. Künstler sind gute Zuhörer. Und Künstler sind gute Vermittler und wir sollten darauf hören, was sie über ihre gesellschaftliche Arbeit zu erzählen haben. Gerade in krisenhaften Zeiten ist Kunst noch wichtiger als sonst, um immer wieder Abstand zu nehmen von der Alltagswirklichkeit und nachzuschauen, welche Möglichkeiten wir haben.
So oder ähnlich habe ich kürzlich einen Artikel in einer Kunstzeitschrift gelesen. Weiter hieß es dort sinngemäß: „ Der Künstler ist eine Art Bote“
Was heißt das für uns, hier in Boppard, beim Kunstverein Mittelrhein.
Der Künstler mit seiner Kunst bringt seine Eindrücke von draußen hier herein in diesen Treffpunkt, als den ich auch unseren Kunstverein verstehen möchte.  Es reicht jedoch nicht zu sagen: Die Tür steht für jeden offen. Ich möchte deshalb Künstlergespräche veranstalten und kann Sie nur ermutigen, auch als Nichtmitglied, teilzunehmen an unserem Stammtisch - jeden ersten Mittwoch im Monat-, aber ich möchte auch, dass Sie als unser Publikum an ganz unterschiedlichen Orten außerhalb diese Gespräche suchen und finden.



Ich hoffe und wünsche es immer wieder, dass Sie ebenso Gefallen finden an den ausgestellten Arbeiten, wie wir, und möchte Sie wie immer im Anschluß auch zu einem interessanten Gespräch mit den anwesenden Künstlern bei einem guten Glas Wein in Boppards herrlicher alter Villa Belgrano einladen.
Erzählen Sie ruhig wieder Ihren Freunden von unseren Aktivitäten.

Viel Vergnügen 
Uli Hoffelder (1. Vorsitzender)


-Texte zu den Arbeiten: Künstler

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