Einblicke in das künstlerische Wirken

RZ (Rhein-Hunsrück) Katja Nolles-Lorscheider vom 22.11.2006

Mitglieder des Kunstvereins Mittelrhein sind für ihre Ausstellung von Boppard nach Oberdiebach umgezogen -

Bemerkenswerte Werkschau Zeitgenössische Plastik, Malerei und Grafik: Mitglieder des Kunstvereins KM 570 präsentieren zurzeit einen Ausschnitt ihres Schaffens in der Galerie Rheingold in Oberdiebach. Die Ausstellung "Ortswechsel" bietet einen bemerkenswerten Einblick in die Gegenwartskunst am Mittelrhein.

OBERDIEBACH : "Ortswechsel" lautet der Titel der aktuellen Ausstellung des Kunstvereins Mittelrhein. Denn die Werkschau findet nicht wie üblich in der Villa Belgrano in Boppard, sondern in der Galerie Rheingold in Oberdiebach statt. Uli Hoffelder verfolgt damit ein bestimmtes Ziel: "In Zeiten leerer Staatskassen fließen die kulturellen Fördermittel nicht mehr so locker", erklärte der Vorsitzende des Vereins. Deshalb setzt man stärker auf Kooperationen mit Kulturveranstaltern. In der Galerie Rheingold präsentieren zurzeit acht Mitglieder des KM 570 ihre Werke. Die Zeichnungen von Marion Anton fallen durch ihren großen Detailreichtum auf: "Zeichnung ist für mich immer etwas Literarisches. Durch die Technik verfremdet, erzählt sie etwas über den dargestellten Gegenstand," erklärt die Künstlerin. Den für die sorgfältig ausgeführten "Baumportraits" nötigen Aufwand empfindet die Bopparderin nicht als Arbeitszeit, sondern als eine Form der künstlerischen Auseinandersetzung. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Ute Bernhard in ihren seriellen Werken: "Interessant für mich ist die Arbeit selber, das Entstehen der Serie ist wichtig." Mit minimalistischen Mitteln setzt sie sich in ihrer Konzeptkunst mit der "Welt der Künstlerin" auseinander. Über lange Zeiträume sammelt sie Begriffe - durch das Aufschreiben entsteht eine Zwischenform von Poesie und Malerei. Detlev Norgel verblüfft mit gelungenem Illusionismus: Seinen "Glamour-Che-Guevara" malte der Künstler nicht etwa auf ein Stück Wellblech, sondern formte den Malgrund täuschend echt aus Papier und Leim nach - ein Trompe-l"½il voller hintergründiger Symbolik. Die hochpolitische Figur Che Guevara sei heute nur noch ein Abziehbild seiner selbst - eben eine Glamour-Ikone, so der Künstler. Das Konterfei des Revolutionärs erscheint daher verblasst, zeigt Spuren der Vergänglichkeit. Den Bedeutungsverlust unterstreicht Norgel, indem er dem silhouettenhaften Che Guevara das luxuriöse Chanel-Logo als Glamour-Ikone unserer Zeit gegenüberstellt. Gegenwartskritik ist auch das Thema von Cornelia Kurtz: Die Tafelbilder "Kriegssöhne" zeigen Soldatenportraits. Ohne kriegerische Posen will die Künstlerin die Persönlichkeit der Soldaten nachvollziehen, unabhängig von Nationalität und Zeit. Inspiriert sind die Portraits von altägyptischen Mumienbildern. Die wurden schon zu Lebzeiten im Bewusstsein des Todes angefertigt. "Auch als Soldat hat man stets den Tod vor Augen," so die Künstlerin. Mit dem Tod setzt sich auch Usch Quednau auseinander. Für ihre "Tierdrucke" benutzt sie Kadaver als Stempel: überfahrene Fundstücke am Straßenrand, die der mobilen Gesellschaft zum Opfer gefallen sind. Merkwürdig zart und filigran wirken die Drucke. Auf morbide und doch ästhetische Weise der Verwesung entrissen, mahnen sie eindringlich das zum Nachteil der Tiere verschobene Verhältnis zwischen Mensch und Natur an. Überraschend dreidimensional sehen die Abdrücke eines Mannes und einer Frau aus: Feinste Details der nackten Körper sind noch zu erkennen. Dem Schönen hat sich Julia Belot verschieben: Die Sonnenlicht-durchfluteten Blumenbilder in herausragender malerischer Qualität vermitteln dem Betrachter das Gefühl, in das Bild hineinsteigen zu können. Der gewählte Ausschnitt und die Komposition sind der in Russland geborenen Künstlerin wichtig. Selbst in großformatigen Arbeiten verzerrt Belot nie die Dimension, sondern malt die Blumen exakt in Originalgröße. Der Reiz von Ursula Mittelbachs experimenteller Keramik ist das Spiel mit der Gegensätzlichkeit der Materialien: In Stelen und beleuchteten Wandobjekten verbindet die Künstlerin raue, organisch wirkende Oberflächen mit glattem, kühlem Glas. Die Gemündenerin Alice Stäglich zeigt florale Skulpturen aus glänzendem Edelstahl. Eine individuelle Note geben die scharfkantigen Schnittgrate, die die Künstlerin bewusst stehen lässt. Doch Stäglichs größere Liebe gehört rostigen Metallplatten. Ihre Stofflichkeit fasziniert die Künstlerin, denn: "Rost ist wie Malerei."

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